Begriff und Handlung.


Es ist wahr, im Kapital hat Marx kräftig mit der Hegel'schen Ausdrucksweise kokettiert. War's nur Koketterie? In den Grundrissen spürt man deutlich, wie sehr er dem Hegel'schen Denken noch verhaftet war – und wie energisch er darum ringt, das Ding umzustülpen und unter der mystischen Hülle den rationellen Kern frei-zulegen: was bei Hegel als Selbstbewegung des Begriffs erscheint, kenntlich zu machen als das wirkliche Handeln wirklicher Menschen.



Kokettiert er bloß?

Julie Kent

Die Analyse der Waare hat gezeigt, daß sie ein Doppeltes ist, Gebrauchswerth und Werth. Damit ein Ding daher Waarenform besitze, muß es Doppelform besitzen, die Form eines Gebrauchswerths und die Form des Werths. Die Form des Gebrauchswerths ist die Form des Waarenkörpers selbst, Eisen, Leinwand u. s. w., seine handgreiflich sinnliche Daseinsform. Es ist dieß die Naturalform der Waare. Die Werthform der Waare ist dagegen ihre gesellschaftliche Form.

Wie wird der Werth einer Waare nun ausgedrückt? Wie gewinnt er also eigne Erscheinungsform? Durch das Verhältniß verschiedner Waaren. Um die in solchem Verhältniß enthaltene Form richtig zu analysiren, müssen wir von ihrer einfachsten, unentwickeltsten Gestalt ausgehn. Das einfachste Verhältniß einer Waare ist offenbar ihr Verhältniß zu einer einzigen, andren Waare, gleichgültig welcher. Das Verhältniß zweier Waaren liefert daher den einfachsten Werthausdruck für eine Waare. 

I. Einfache Werthform.


20 Ellen Leinwand = 1 Rock oder: 20 Ellen Leinwand sind 1 Rock werth.

Das Geheimniß aller Werthform muß in dieser einfachen Werthform stecken. Ihre Analyse bietet daher die eigentliche Schwierigkeit. /


§. 1. Die beiden Pole des Werthausdrucks: 

Relative Werthform und Aequivalentform. 

In dem einfachen Werthausdruck spielen die zwei Waarenarten Leinwand und Rock offenbar zwei verschiedne Rollen. Die Leinwand ist die Waare, welche ihren Werth in einem von ihr verschiedenartigen Waarenkörper, dem Rock, ausdrückt. Andrerseits dient die Waarenart Rock als das Material, worin Werth ausgedrückt wird. Die eine Waare spielt eine aktive, die andre eine passive Rolle. Von der Waare nun, welche ihren Werth in einer andren Waare ausdrückt, sagen wir: Ihr Werth ist als relativer Werth dar- gestellt, oder sie befindet sich in relativer Werthform. Von der andern Waare dagegen, hier dem Rock, die zum Material des Werthausdrucks dient, sagen wir: Sie funktionirt als Aequivalent der ersten Waare, oder befindet sich in der Aequivalentform.

Ohne nun noch tiefer zu analysiren, sind von vorn herein folgende Punkte klar:

a) Die Unzertrennlichkeit der beiden Formen.


Relative Werthform und Aequivalentform sind zu einander gehörige, sich wechselseitig bedingende, unzertrennliche Momente desselben Werthausdrucks. 

b) Die Polarität der beiden Formen. 


Andrerseits sind diese beiden Formen einander ausschließende oder ent- gegengesetzte Extreme, d. h. Pole, desselben Werthausdrucks. Sie vertheilen sich stets auf die verschiedenen Waaren, die der Werthausdruck auf einander bezieht. Ich kann z. B. den Werth der Leinwand nicht in Leinwand aus- drücken. 20 Ellen Leinwand = 20 Ellen Leinwand ist kein Werthausdruck, sondern drückt nur ein bestimmtes Quantum des Gebrauchsgegenstands Leinwand aus. Der Werth der Leinwand kann also nur in andrer Waare, d. h. nur relativ ausgedrückt werden. Die relative Werthform der Leinwand unterstellt also, daß irgend eine andre Waare sich ihr gegenüber in der Aequivalentform befindet. Andrerseits, diese andre Waare, hier der Rock, die als Aequivalent der Leinwand figurirt, sich also in Aequivalentform befindet, kann sich nicht gleichzeitig in relativer Werthform befinden. Nicht sie drückt ihren Werth aus. Sie liefert nur dem Werthausdruck andrer Waare das Material. /

Allerdings schließt der Ausdruck: 20 Ellen Leinwand = 1 Rock oder: 20 Ellen Leinwand sind 1 Rock werth, auch die Rückbeziehung ein: 1 Rock = 20 Ellen Leinwand oder: 1 Rock ist 20 Ellen Leinwand werth. Aber so muß ich doch die Gleichung umkehren, um den Werth des Rocks relativ auszudrücken, und sobald ich das thue, wird die Leinwand Aequivalent statt des Rockes. Dieselbe Waare kann also in demselben Werthausdruck nicht gleichzeitig in beiden Formen auftreten. Diese schließen sich vielmehr polarisch aus.

Denken wir uns Tauschhandel zwischen Leinwandproducent A und Rockproducent B. Bevor sie Handels einig werden, sagt A: 20 Ellen Leinwand sind 2 Röcke werth (20 Ellen Leinwand = 2 Röcke), B dagegen: 1 Rock ist 22 Ellen Leinwand werth (1 Rock = 22 Ellen Leinwand). Endlich, nach- dem sie lang gemarktet, stimmen sie überein. A sagt: 20 Ellen Leinwand sind 1 Rock werth, und B sagt: 1 Rock ist 20 Ellen Leinwand werth. Hier befinden sich beide, Leinwand und Rock, gleichzeitig in relativer Werthform und in Aequivalentform. Aber, notabene, für zwei verschiedene Personen und in zwei verschiedenen Werthausdrücken, welche nur gleichzeitig ins Leben treten. Für A befindet sich seine Leinwand, – denn für ihn geht die Initiative von seiner Waare aus – in relativer Werthform, die Waare des Andren, der Rock dagegen, in Aequivalentform. Umgekehrt vom Standpunkt des B. Dieselbe Waare besitzt also niemals, auch nicht in diesem Fall, die beiden Formen gleichzeitig in demselben Werthausdruck. 

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Das Kapital I, MEGA II/5Anhang: Die Wertform; S. 626ff. 




Nota. - Wie ist es: 'Kokettiert' er bloß mit Hegels 'Ausdrucksweise', oder hat er dessen Methode 'umgestülpt', um ihren rationellen Kern freizulegen? 

Es sind hier nicht 'Begriffe', die in einander 'umschlagen'; aber dafür sind es 'Waren', die sich gegen einander 'tauschen'; mit andern Worten, 'Formen' 'wechseln'. Ist das lediglich eine (gezierte) Redeweise, oder meint das wirklich so, wie er es sagt?

Er war ein kluger Mann und ein gewissenhafter Autor, also bleibt er dem Leser diese Aufklärung nicht lange schuldig: "Denken wir uns Tauschhandel zwischen Leinwandproducent A und Rockproducent B. Bevor sie Handels einig werden, sagt A...". Das war doch von Anbeginn klar: Nicht Waren tauschen einander, sondern Produzenten tauschen mit einander.

Er hat kokettiert, leider. Denn das Verständnis hat er mehreren Generationen schwergemacht, indem er den Wortklaubern freie Bahn gegeben hat. Doch muss man einräumen: Er hat sich selber das Verstehen der Wertproblems ja nicht leicht gemacht; da hatte er noch nicht genügend Abstand, um es in einfacherer Weise darzustellen.
JE






Ein System von Austauschen.

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Die einfache Circulation* bestand aus einer Menge gleichzeitiger oder successiver Austausche. Die Einheit derselben als Circulation betrachtet, war eigentlich nur vom Standpunkt des Beobachters aus vorhanden. (Der Austausch kann zufällig sein und er hat mehr oder minder den Charakter, wo er auf den Austausch des Ueberflusses beschränkt, nicht das Ganze des Productionsprocesses ergriffen hat.) 

In der Circulation des Capitals haben wir eine Reihe von Tauschoperationen, von Tauschakten, deren jede gegen die andre ein qualitatives Moment vorstellt, ein Moment in der Reproduction und Wachsthum des Capitals. Ein System von Austauschen, Stoffwechsel, so weit der Gebrauchswerth betrachtet, Formwechsel, so weit der Werth als solcher betrachtet wird. 

Das Product verhält sich zur Waare, wie Gebrauchswerth zum Tauschwerth; so die Waare zum Geld. Hier erreicht die eine Reihe ihre Höhe. Das Geld verhält sich zur Waare in die es rückverwandelt wird als Tauschwerth zum Gebrauchswerth; noch mehr so das Geld zur Arbeit.
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Grundrisse, MEGA II/1.2  S. 522 [MEW 42, S.  537]

*) Austausch von Waren gegen Geld  zwischen Produzenten und Konsumenten.

Nota. - Die Vorstellung vom Kreislauf und von einem System sind die Grundmystifikationen der Politischen Ökonomie. In ihnen erscheint die bürgerliche Wirtschaftsform als logisch in sich selbst begründet  und moralisch als gerechtfertigt. Denn als 'Prozess ohne Subjekt' erscheint es als an-sich-seiendDer erste Schritt der Kritik ist der Nachweis, dass sich nichts 'selbst bewegt', sondern dass lebendige Menschen handeln.
JE





Kapital als Prozess.



Insofern das Capital in jedem Moment des Processes selbst die Möglichkeit des Uebergehns in seine andre, nächste Phase und so die Möglichkeit des ganzen Processes ist, der den Lebensakt des Capitals ausdrückt, so erscheint jedes der Momente potentialiter als Capital – daher Waarencapital, Geldcapital – neben dem im Productionsprocess als Capital sich setzenden Werth. 

Die Waare kann Capital darstellen, so lange sie sich in Geld verwandeln, also Lohnarbeit kaufen kann (Sur-plusarbeit); dieß nach der Formseite hin, die aus der Circulation des Capitals geschöpft ist. Nach der Stoff-seite hin bleibt sie Capital, so lange sie Rohmaterial (eigentliches oder Halbfabrikat), Instrument, Lebensmittel für die Arbeiter ausmacht. Jede dieser Formen ist potentielles Capital. Das Geld ist einerseits das realisirte Capi-tal, das Capital als realisirter Werth. Es ist nach dieser Seite (als Schlußpunkt der Circulation betrachtet, wo es denn auch als Ausgangspunkt betrachtet werden muß) das Capital ϰατ ̓ ἐξοχήν. 

Es ist dann wieder Capital in Bezug auf den Productionsprocess speciell, so weit es sich gegen lebendige Arbeit umtauscht. In seinem Umtausch gegen Waare (Rückkauf des Rohmaterials etc) durch den Capitalisten erscheint es dagegen nicht als Capital, sondern als Circulationsmittel; nur verschwindende Vermittlung, wodurch der Capitalist sein Product gegen die Urelemente desselben austauscht. 
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Grundrisse, MEGA II/1.2  S. 522f. [MEW 42, S.537]

Nota. - Der Verfasser stellt den Vorgang vom Gesichtspunkt des Kapitals aus dar: Unter diesem Gesichtspunkt ist es Subjekt eines Prozesses. Als Subjekt betrachtet, wechselt es die Rollen, fungiert mal so, mal so. Wenn der Verfasser die Rollen, Funktionen zugleich als Begriffe auffasst, muss es ihm so vorkommen, als ob sie ineinander 'umschlagen'. 

Nun ist das Kapital nicht wirklich Subjekt, sondern nur in der Abstraktion. In der Wirklichkeit ist es ein tätiges Verhältnis zwischen Personen. Was in den Begriffen als unterschiedliche Rollen, Funktionen dargestellt war, sind in der Wirklichkeit vom Analytiker identifizierte und isolierte Momente eines systemischen Interaktionsprozesses zwischen handelnden Menschen. 
JE




Begriffsfetischismus.

bible-archeology

Es ist eine bestimmte gesellschaftliche Beziehung der Producenten, worin sie ihre verschiedenen nützlichen Arbeitsarten als menschliche Arbeit gleichsetzen. Es ist nicht minder eine bestimmte gesellschaftliche Beziehung der Producenten, worin sie die Größe ihrer Arbeiten durch die Zeitdauer der Verausgabung menschlicher Arbeitskraft messen. Aber innerhalb unsres Verkehrs erscheinen ihnen diese gesellschaftlichen Charaktere ihrer eignen Arbeiten als gesellschaftliche Natureigenschaften, als gegenständliche Bestimmungen der Arbeitsprodukte selbst, die Gleichheit der menschlichen Arbeiten als Wertheigenschaft der Arbeitsprodukte, das Maß der Arbeit durch die gesellschaftlich nothwendige Arbeitszeit als Werthgröße der Arbeitsprodukte, endlich die gesellschaftliche Beziehung der Producenten durch ihre Arbeiten als Werthverhältniß oder gesellschaftliches Verhältniß dieser Dinge, der Arbeitsprodukte. 

Eben deßhalb erscheinen ihnen die Arbeitsprodukte als Waaren, sinnlich übersinnliche oder gesellschaftliche Dinge. So stellt sich der Lichteindruck eines Dings auf den Sehnerv nicht als subjektiver Reiz des Sehnervs selbst, sondern als gegenständliche Form eines Dings außerhalb des Auges dar. Aber beim Sehn wird wirklich Licht von einem Ding, dem äußeren Gegenstand, auf ein andres Ding, das Auge, geworfen. Es ist ein physisches Verhältniß zwischen physischen Dingen. Dagegen hat die Waarenform und das Werthverhältniß der Arbeitsprodukte mit ihrer physischen Natur und den daraus entspringenden dinglichen Beziehungen absolut nichts zu schaffen. Es ist nur das bestimmte gesellschaftliche Verhältniß der Menschen selbst, welches hier für sie die phantasmagorische Form eines Ver-/hältnisses von Dingen annimmt. 

Um daher eine Analogie zu finden, müssen wir in die Nebelregion der religiösen Welt flüchten. Hier erscheinen die Produkte des menschlichen Kopfes als mit eignem Leben begabte, unter einander und mit den Menschen in Verhältniß stehende selbstständige Gestalten. So in der Waarenwelt die Produkte der menschlichen Hand. Dieß nenne ich den Fetischismus, der sich an die Arbeitsprodukte anklebt, sobald sie als Waaren producirt werden, der also von der Waarenproduktion unzertrennlich ist.

Dieser Fetischcharakter nun tritt schlagender an der Aequivalentform als an der relativen Werthform hervor. Die relative Werthform einer Waare ist vermittelt, nämlich durch ihr Verhältniß zu andrer Waare. Durch diese Werthform ist der Werth der Waare als etwas von ihrem eignen sinnlichen Dasein durchaus Unterschiednes ausgedrückt. Es liegt darin zugleich, daß das Werthsein eine dem Ding selbst fremde Beziehung, sein Werthverhältniß zu einem andern Ding daher nur die Erscheinungsform eines dahinter versteckten gesellschaftlichen Verhältnisses sein kann. Umgekehrt mit der Aequivalentform. Sie besteht grade darin, daß die Körper- oder Naturalform einer Waare unmittelbar als gesellschaftliche Form gilt, als Werthform für andre Waare. 

Innerhalb unseres Verkehrs erscheint es also als gesellschaftliche Natureigenschaft eines Dings, als eine ihm von Natur zukommende Eigenschaft, Aequivalentform zu besitzen, daher so wie es sinnlich da ist, unmittelbar austauschbar mit andern Dingen zu sein. Weil aber innerhalb des Werthausdrucks der Waare A die Aequivalentform von Natur der Waare B zukommt, scheint sie letztrer auch außerhalb dieses Verhältnisses von Natur anzugehören. Daher z. B. das Räthselhafte des Goldes, das neben seinen andren Natureigenschaften, seiner Lichtfarbe, seinem specifischen Gewicht, seiner Nicht-Oxydirbarkeit an der Luft u. s. w., auch die Aequivalentform von Natur zu besitzen scheint oder die gesellschaftliche Qualität mit allen andern Waaren unmittelbar austauschbar zu sein. 
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Das Kapital I, MEGA II/5, S. 636f.


Nota. - Es handelt sich um einen Abschnitt aus dem Anhang Die Wertform zur ersten Auflage des 1. Bandes von 1867. In den späteren Auflagen und in der Ausgabe der MEW, Bd. 23 erscheint der Anhang nicht mehr.


Nicht zu vergessen: Ein gesellschaftliches Verhältnis entsteht dadurch, dass Menschen sich verhalten.
JE 




Der sogenannte Formenwechsel ist ein Stellungswechsel von Personen.


Wenn der früher unabhängig für sich selbst producirende Bauer zum Taglöhner wird, der für einen Pächter arbeitet, wenn die in der zünftigen Productionsweise geltende hierarchische Gliederung vor dem einfachen Gegensatz eines Capitalisten, der Handwerker als Lohnarbeiter für sich ar-/beiten läßt, verschwindet, wenn der frühre Sklavenhalter seine frühren Sklaven als Lohnarbeiter beschäftigt u. s. w., so sind anders gesellschaftlich bestimmte Productionsprocesse in den Productionsproceß des Capitals verwandelt.

Es treten damit die früher entwickelten Aenderungen ein. Der früher unabhängige Bauer wird als Factor des Productionsprocesses abhängig von dem Capitalisten, der selben leitet und seine Beschäftigung selbst hängt von einem Contract ab, den er als Waarenbesitzer (Besitzer von Arbeitskraft) mit dem Capitalisten als Geldbesitzer vorher geschlossen hat. Der Sklave hört auf ein seinem Anwender angehöriges Productionsinstrument zu sein. Das Verhältniß von Meister und Gesell verschwindet. Der Meister stand mit dem Gesellen im Verhältniß als Meister des Handwerks. Er steht ihm jetzt nur noch als Besitzer von Capital, wie der andre ihm nur noch gegenübersteht als Verkäufer von Arbeit.

Vor dem Productionsproceß treten sie sich alle als Waarenbesitzer gegenüber und haben nur ein Geldverhältniß zusammen, innerhalb des Productionsprocesses als personnificirte Functionäre der Factoren dieses Processes, der Capitalist als "Capital", der unmittelbare Producent als "Arbeit", und ihr Verhältniß ist bestimmt durch die Arbeit als blossen Factor des sich selbst verwerthenden Capitals.
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Ökonomisches Manuskript 1863-67, MEGA II/4.1, S. 91f.  





Der Durchschnitt ist eine Realität sui generis.


Der durch die Arbeitszeit bestimmte Werth der Waaren ist nur ihr Durchschnittswerth. Ein Durchschnitt, der als äusserliche Abstraction erscheint, soweit er als die Durchschnittszahl einer Epoche herausaddirt wird, z. B. 1 Pfund Kaffee 1 sh., wenn der Durchschnitt sage der Kaffeepreisse von 25 Jahren gezogen wird; der aber sehr real ist, wenn er zugleich als die Triebkraft und das bewegende Princip der Oscillationen erkannt wird, die die Waarenpreisse während einer bestimmten Epoche durchlaufen. 

Diese Realität ist nicht nur von theoretischer Wichtigkeit: sie bildet die Grundlage der kaufmännischen Specu-lation, deren Wahrscheinlichkeitsrechnung sowohl von den mittleren Durchschnittspreissen, die ihr als Cen-trum der Oscillation gelten, als von Durchschnittshöhen und Durchschnittstiefen der Oscillation über oder unter dieses Centrum ausgeht. Von diesem Durchschnittswerth der Waare ist ihr Marktwerth stets verschieden und steht stets entweder unter oder über ihm. 

Der Marktwerth gleicht sich aus zum Realwerth durch seine beständigen Oscillationen, nie durch eine Glei-chung mit dem Realwerth als einem Dritten, sondern durch stete Ungleichsetzung seiner selbst (nicht, wie Hegel sagen würde, durch abstracte Identität, sondern durch beständige Negation der Negation, d. h. seiner selbst als der Negation des Realwerths). Daß der Realwerth selbst wieder – unabhängig von seiner Beherr-schung der Oscillationen des Marktpreisses (abgesehn von ihm als dem Gesetze dieser Oscillationen) – sich selbst verneint und den Realwerth der Waaren beständig in Widerspruch mit seiner eignen Bestimmung sezt, den Realwerth der vorhandnen Waaren depreciirt oder appreciirt – habe ich in meinem Pamphlet gegen Proudhon gezeigt und ist an diesem Ort nicht näher darauf einzugehn. 

Der Preiß unterscheidet sich also vom Werth, nicht nur wie das Nominelle vom Realen; nicht nur durch die Denomination in Gold und Silber, sondern dadurch daß der leztre als Gesetz der Bewegungen erscheint, die der erstre durchläuft. Sie sind aber beständig verschieden und decken sich nie oder nur ganz zufällig und ausnahmsweise. Der Waarenpreiß steht beständig über oder unter dem Waarenwerth und der Waarenwerth selbst existirt nur in dem up and down der Waarenpreisse. 
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Grundrisse, MEGA II/1.1  S. 72f. [MEW 42, S. 72f.]  



Nota. – Der Begriff des Werts bezeichnet lediglich einen Durchschnitt; oder: Nur als Durchschnitt kann der Wert begriffen werden. 

Doch ist der Durchschnitt nur eine gedachte, bestenfalls eine vom Statistiker ermittelte Größe. Nicht so der Wert: Ob er vom Statistiker errechnet oder vom Ökonomen gedacht wird, ist ohne Belang. Tatsächlich wird er jedoch von den Marktagenten –  Käufern und Verkäufern –  geschätzt. Rein intuitiv, aus bloßer Erfahrung, ganz ungefähr. Das verschlägt ihm nichts von seiner Realität: Die Marktagenten, die sich zu sehr verschätzen, ver-schwinden prompt vom Markt, und der Durchschnitt der verbleibenden Schätzungen nähert sich immer mehr dem Durchschnitt an, den auch der Statistiker errechnen würde. 

Dies ist der Durchschnitt: Das, was allgemein in den Köpfen der Marktagenten gilt. Anders findet kein Durch-schnitt den Weg aus den Zahlenwerken in die Wirklichkeit.
JE





Das Wertgesetz gilt nur für die bürgerliche Gesellschaft.

M. Liebermann

Andrerseits ist die Bedingung des Tauschwerths Messen desselben durch Arbeitszeit, und daher die lebendige Arbeit – nicht ihr Werth – als Maaß der Werthe. Es ist eine delusion als beruhte in allen Productionszuständen die Production und daher die Gesellschaft auf dem Austausch von bloser Arbeit gegen Arbeit. In den verschiednen Formen, worin die Arbeit sich zu ihren Productionsbedingungen als ihrem Eigenthum verhält, ist die Reproduction des Arbeiters keineswegs durch blose Arbeit gesezt, denn sein Eigenthumsverhältniß ist nicht das Resultat, sondern die Voraussetzung seiner Arbeit. 

Im Grundeigenthum ist es klar; im Zunftwesen muß es auch klar werden, daß die besondre Art Eigenthum, die die Arbeit constituirt, nicht auf bloser Arbeit oder Austausch der Arbeit beruht, sondern auf einem objektiven Zusammenhang des Arbeiters mit einem Gemeinwesen und Bedingungen, die er vorfindet, von denen er als seiner Basis ausgeht. Sie sind auch Producte / einer Arbeit, der weltgeschichtlichen; der Arbeit des Gemeinwesens – seiner historischen Entwicklung, die nicht von der Arbeit der Einzelnen noch dem Austausch ihrer Arbeiten ausgeht. Es ist daher auch nicht die blose Arbeit Voraussetzung der Verwerthung. 

Ein Zustand in dem blos Arbeit gegen Arbeit ausgetauscht wird – sei es in der Form unmittelbarer Lebendigkeit, sei es in der Form des Products – unterstellt die Loslösung der Arbeit von ihrem ursprünglichen Zusammengewachsensein mit ihren objektiven Bedingungen, weßwegen sie auf der einen Seite als blose Arbeit erscheint, andrerseits ihr Product als vergegenständlichte Arbeit ihr gegenüber ein durchaus selbstständiges Dasein als Werth erhält. Der Austausch von Arbeit gegen Arbeit – scheinbar die Bedingung des Eigenthums des Arbeiters – beruht auf der Eigenthumslosigkeit des Arbeiters als ihrer Basis.
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Grundrisse, MEGA II/1.1, S. 416f. [MEW 42, S. 422]


Nota. - Der Tauschwert herrscht, das Wertgesetz gilt in einer Gesellschaft, in der bloß Arbeit gegen Arbeit ausgetauscht wird. Das unterstellt, dass die Arbeiter nicht mehr an ihr ursprüngliches, 'naturwüchsiges' Produk- tionsmittel: den Grund und Boden, gebunden sind, denn sonst bräuchten sie nur ihre Überschüsse zu tauschen, nicht aber ihre Arbeit selbst – "sei es in der Form unmittelbarer Lebendigkeit, sei es in der Form des Produkts". Historisch-faktisch heißt das: wo die Masse der Arbeiter eigentumslos ist und ihre Arbeit nicht in Produkten vergegenständlichen können, sondern ihre unmittelbare Lebendigkeit selber in Tausch geben. 

Nehmen wir an eine Gesellschaft von lauter individuellen Produzenten, wo niemand mehr für sich selbst und jeder nur noch für den andern produziert und sein ganzes Produkt als Ware austauscht - lebendige Arbeit gegen lebendige Arbeit. Das setzte voraus einen hohen, aber nicht zu hohen Grad von technischer Entwicklung mit florierender Kleinindustrie. Denn bestünde der Großteil der Produktion aus landwirtschaftlichen Erzeugnissen, dann gäbe es für die Produzenten wenig Anlass, ihre Produkte gegen die der andern auszutau- schen: Die meisten würden dasselbe produzieren, und sie könnten und müssten den größten Teil davon selbst verbrauchen. Also würde die Gesellschaft nicht auf dem Tausch beruhen und bedürfte der Tausch nicht eines allgemeinen verbindlichen Maßes; er bliebe Randerscheinung.

Wir nehmen also an eine Gesellschaft von vielen gewerblichen und wenigen landwirtschaftlichen Kleinproduzenten, die ihre gesamte Produktion gegeneinander tauschen - zu ihrem Wert.

Dem Begriff nach wäre das ja möglich. Aber historisch faktisch war sie es nicht. Denn wie und woher sollte eine Gesellschaft ausschließlich von gewerblichen und landwirtschaftlichen Einzelbetrieben denn entstanden sein? Der Großgrundbesitz (oder das ursprüngliche Gemeindeland) hätte in Kleinparzellen aufgeteilt werden müssen und gleichwohl produktiv genug sein, um die große Bevölkerungsmehrheit für die Kleinindustrie freizusetzen. Zugleich müssten aber sowohl die konsumtiven als auch die produktiven Bedürfnisse der Gesellschaft insgesamt noch so dürftig entwickelt sein, dass sie im technischen Rahmen vereinzelter Kleinbetriebe bedient werden könnten. Wenn jedoch alle kleine Handwerker und kleine Kaufleute sind  wer soll ihnen ihr Zeug abkaufen?* Geld brauchen sie aber, denn sonst können sie sich nichts zu essen kaufen, und die paar verbliebenen Bauern bleiben auf ihren Ernten sitzen. 

Nein, tun sie nicht: Denn da die ganze Industrie aus kleinen Handwerksbetrieben besteht, kann es keine land- wirtschaftlichen Maschinen geben, die die Einzelhöfe so produktiv machen würden, dass sie den Rest der Gesellschaft ernähren könnten. Wenn also die Worte einem Sinn behalten sollen: Auch dem Begriff nach ist eine solche Gesellschaft nicht möglich.

Den Wert gibt es folglich erst in der bürgerlichen Gesellschaft. Der Begriff kam erst, als sich die Sache ausgebildet hatte: eine Gesellschaft, die darauf gründet, dass lebendige Arbeit gegen tote Arbeit eingetauscht wird. Es gab ihn nicht vorher und es wird ihn nachher nicht geben. Das Wort mag bleiben.

*) Es könnten eigentlich nur Konsumgüter ausgetauscht werden, denn für Ausrüstungsgegenstände fehlte sowohl die industrielle Kapazität, als auch die Nachfrage. Und wenn der Schuhmacher doch einmal einen neuen Leisten bräuchte, würde er ihn nicht vom Fagus-Werk kaufen, sondern von einem selbstständigen Handwerker; sofern er ihn nicht selber baut, gleich für die kommenden Generationen mit.
JE






Dialektischer Stolperdraht.


Das Geld als Capital ist eine Bestimmung des Geldes, die über seine einfache Bestimmung als Geld hinausgeht. Es kann als höhere Realisation betrachtet werden; wie gesagt werden kann, daß der Affe sich im Menschen entwickelt. Indeß ist dann die niedre Form als das Uebergreifende Subjekt über die Höhere gesezt. 

Jedenfalls ist Geld als Capital von Geld als Geld unterschieden. Die neue Bestimmung ist zu entwickeln. Andrerseits das Capital als Geld scheint der Rückgang des Capitals in eine niedre Form. Es ist aber nur das Setzen desselben in einer Besonderheit, die als Nicht-Capital schon vor ihm existirt, und eine seiner Voraussetzungen ausmacht. 

Das Geld kommt in allen spätern Verhältnissen wieder vor; aber dann fungirt es eben nicht mehr als bloses Geld. Wenn, wie hier, es zunächst darum zu thun ist, es bis zu seiner Totalität als Geldmarkt zu verfolgen, so wird die übrige Entwicklung vorausgesezt und muß gelegentlich hereingenommen werden. So hier die allgemeine Bestimmung des Capitals, eh wir zu seiner Besonderheit als Geld fortgehn. 
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Grundrisse, MEGA II/1.1, S. 173f. [MEW 42, S. 176] 


Nota. - Wenn ich das Kapital als eine "höhere Verwirklichung" des Geldes auffasse, dann wird das Geld als das übergreifende Subjekt über das Kapital gesetzt: Die niedere Form bestimmt die höhere. – So wäre es bei einer rein logischen Betrachtung, die man endlos bereichern könnte durch Umschlagen, Wechselbestimmung, Widerspruch usw.. Aber wozu? Es erlaubt keine sachlich neue Einsicht. Denn in der ökonomischen Wirklichkeit fungiert das Geld hier nicht mehr als Geld, sondern als Kapital. Wozu könnten dialektische Elukubrationen über Wesen und Erscheinung da dienen? Eine Sache ist das, als was sie wirkt; jeweils. In der Wirklichkeit erscheinen keine Wesen, sondern lediglich Funktionen.

Wir befinden uns hier noch in Heft II des Ms., in dem Abschnitt 'Verwandlung von Geld in Kapital'. Die entscheidende methodische Wendung steht Marx noch bevor.
JE




Ideell und reell.



Daraus aber daß das Capital jede solche Grenze als Schranke sezt und daher ideell darüber weg ist, folgt keineswegs, daß es sie real überwunden hat, und da jede solche Schranke seiner Bestimmung widerspricht, bewegt sich seine Production in Widersprüchen, die beständig überwunden, aber ebenso beständig gesezt werden. Noch mehr. Die Universalität, nach der es unaufhaltsam hintreibt, findet Schranken an seiner eignen Natur, die auf einer gewissen Stufe seiner Entwicklung es selbst als die größte Schranke dieser Tendenz werden erkennen lassen und daher zu seiner Aufhebung durch es selbst hintreiben. 
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Grundrisse, MEGA II/1.2  S. 322f. [MEW 42, S. 323]



Nota. - 'Erkennen lassen' ist ideell gemeint, 'hintreiben' reell. Das eine ist nicht schon das andere. Damit die Bestimmungen, die im Begriff 'gemeint' sind, in Raum und Zeit Platz greifen, muss ein Subjekt tätig werden; für sich allein ist der Begriff leer und dumm.
JE




Nota. Die obigen Fotos gehören mir nicht, ich habe sie im Internet gefunden. Wenn Sie deren Eigentümer sind und ihre Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE    

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