Freitag, 16. Dezember 2016

Eine idiographische Geisteswissenschaft.



Der Gegensatz zwischen der Kritik der Politischen Ökonomie und der Politischen Ökonomie selbst lässt sich ausdrücken als der Gegensatz zwischen einer "nomothetischen" und einer "idiographischen" Wissenschaft. Nämlich so, dass die Politische Ökonomie glaubt, die Naturgesetze der gesellschaftlichen Entwicklung zur Dar- stellung zu bringen - vgl. Mirabeaus Rede am Grab von Dr. Quesnay -, wohingegen Marx ganz ausdrücklich nur die "Bewegungsgesetze" dieser besondern Gesellschaftsformation, dieser historischen Individualgestalt "analysiert": und  zwar gerade nicht als die immanenten Bewegungsgesetze "der Sachen selbst", sondern sie "versteht" als die typischen Handlungsweisen - "Verkehrsformen" - der austauschenden Individuen.

Und diese 'Handlungsweisen' werden folgerichtig eben nicht aus ihren 'Ursachen' "begriffen", sondern aus ihren Zwecken verstanden. Die Kritik der Politischen Ökonomie ist die verstehende Deutung einer besonderen historischen Ge- stalt: Sie handelt nicht von "Gesetzen", die in ihr kausal wirken, sondern von den Zwecken ("Werten"!!!), die in ihr als bestimmend gelten; sofern sie also mit "Gesetzen" zu tun hat, ist sie nicht nomo"thetisch", sondern allenfalls nomographisch.

Also ob man die Distinktion Diltheys oder Windelbands zugrundlegt, ist hier ganz wurscht. Freilich, dass es sich bei der "klassischen" Ökonomie um einer Geisteswissenschaft handelt, die sich als eine Natur wissenschaft missversteht - diese kritische Einsicht lässt sich mit Windelbands Begriffen klarer fassen.

22. 7. 88


 

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