Montag, 7. November 2016

Selbsterzeugung aus nichts.



Die Schöpfung ist daher eine schwer aus dem Volksbewusstsein zu verdrängende Vorstellung. Das Durchsich- selbstsein der Natur und des Menschen ist ihm unbegreiflich, weil es allen Handgreiflichkeiten des praktischen Lebens widerspricht.

Die Erdschöpfung hat einen gewaltigen Stoß erhalten durch die Geognosie, d. h. die Wissenscahsft, welche die Erdbildung, das Werden der Erde, als einen Prozess, als Selbsterzeugung darstellt. Die generatio aequivoca ist die einzige praktische Widerlegung der Schöpfungstheorie.

Nun ist es zwar leicht, dem einzelnen Individuum zu sagen, was Aristoteles schon sagt: du bist gezeugt von deinem Vater und deiner Mutter, also hat in die die Begattung zweier Menschen, also ein Gattungsakt der Menschen den Menschen produziert. Du sieht also, dass der Mensch auch physisch sein Dasein dem Menschen verdankt. 

Du musst also nicht nur die eine Seite im Auge behalten, den unendlichen Progress, wonach du weiter fragst: Wer hat meinen Vater, wer meinen Großvater etx. gezeugt? Du musst auch die Kreisbewegung, welche in jenem Progress sinnlich anschaubar ist, festhalten, wonach der Mensch in der Zeugung sich selbst wiederholt, also der Mensch immer Subjekt bleibt. Allein du wirst antworten: Diese Kreisbewegung sei dir zugestanden, so gestehe du mir den Progress zu, der mich immer weitertreibt, bis ich frage, wer hat den ersten Menschn und die Natur überhaupt gezeugt?

Ich kann dir nur antworten: Deine Frage ist selbst ein Produkt der Abstraktion. Frage dich, wie du auf jene Frage kömmst; frage dich, ob deine Frage nicht von einem Gesichtspunkt aus geschieht, den ich nicht beant- worten kann, weil er ein verkehrter ist? Frage dich, ob jener Progress als solcher für ein vernünftiges Denken existiert? Wenn du nach der Schöpfung der Natur und des Menschen fragst, so abstrhierst du also vom Men- schen und der Natur. Du setzest sie als nichtseiend und willst doch, dass ich sie als seiend sie dir beweise?

Gib deine Abstraktion auf, so gibst du auch deine Frage auf, oder willst du an deiner Abstraktion festhalten, so sei konsequent, und wenn du den Men- schen und die Natur als nichtseiend [...] denkst, so denke dich selbst als nichtseiend, der du doch selbst Mensch und Natur bist. Denke nicht, frage mich nicht, denn sobald du denkst und fragst, hat deine Abstraktion von dem Sein der Natur und ees Menschen keinen Sinn. Oder bist du ein solcher Egoist, dass du alles als Nichts setzt und selbst sein willst?

Du kannst mir erwidern: Ich will nicht das Nichts der Natur etc, setzen, ich frage dich nach ihrem Entstehungs- akt, wie ich den Anatom nach den Knochenbildungen frage, etc.

Indem für den sozialistischen Menschen die ganze sogenannte Welt geschichte nichts ist als die Erzeugung des Menschen durch die menschliche Arbeit, als das Werden der Natur für den Menschen, so hat er also den an- schaulichen unwiderstehlichen Beweis von seiner Geburt durch sich selbst, von seinem Entstehungsprozess. 
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K. Marx, Pariser Manuskripte, MEW-EB I, S. 545f. 


Nota. - Hier geht es nicht um Sinngebung, sondern um reelle Schöpfung. Ohne Darwinsche Evolutionslehre ließ sich das Thema nicht rational behandeln, und Marx kommt ins Schlingern. Eine Art Vormensch, der in durch einen mehr oder minder spontanen Akt  Eigenschaften anerfand, die einmal als die 'spezifisch menschlichen' gelten werden - die Aufrichtung auf zwei Beine und die Eröffnung des Widerspiels von Hand und Gesicht etwa: das lässt sich, wenn auch nicht leicht, vorstellen. Aber eine Selbsterschaffung aus dem puren Nichts? Selbst Pallas Athene ist nicht in voller Rüstung vom Himmel gefallen, sondern immerhin einem Zeus aus der Stirn gesprungen.

Doch Marx steht noch ganz im Bann von Feuerbach und seinem Gattungswesen. Es soll noch ein wenig dauern, bis er das als Mystifikation durchschaut.
JE






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