Dienstag, 9. Februar 2016

Die Menschen vereinzeln sich erst durch den Austausch.

Schwarzmarkt 1945

Eigenthum meint also ursprünglich – und so in seiner asiatischen, slawischen, antiken, germanischen Form – Verhalten des arbeitenden (producirenden) Subjekts (oder sich reproducirenden) zu den Bedingungen seiner Production oder Reproduction als den seinen. 

Es wird daher auch verschiedne Formen haben nach den Bedingungen dieser Production. Die Production selbst bezweckt die Reproduction des Producenten in und mit diesen seinen objektiven Daseinsbedingungen. Dieses Verhalten als Eigenthümer – nicht als Resultat, sondern Voraussetzung der Arbeit, i. e. der Production – sezt voraus ein bestimmtes Dasein des Individuums als Glied eines Stamm- oder Gemeinwesens (dessen Eigenthum es selbst ist bis zu einem gewissen Punkt). Sklaverei, Leibeigenschaft etc, wo der Arbeiter selbst unter den Naturbedingungen der Production für ein 3tes Individuum oder Gemeinwesen erscheint (dieß ist z. B. bei der allgemeinen Sklaverei des Orients nicht der Fall, nur vom europäischen point of view aus) – also Eigenthum nicht mehr das Verhalten des selbstarbeitenden Individuums zu den objektiven Bedingungen der Arbeit – ist immer secundär, nie ursprünglich, obgleich nothwendiges und consequentes Resultat des auf dem Gemeinwesen und Arbeit im Gemeinwesen gegründeten Eigenthums. 

Es ist zwar sehr einfach sich vorzustellen, daß Ein Gewaltiger, physisch Ueberlegner, nachdem er erst das Thier gefangen, dann Menschen fängt, um durch ihn Thiere fangen zu lassen; mit einem Worte sich ebenso des Menschen als einer natürlich vorgefundnen Bedingung für seine Reproduction bedient (wobei seine eigne Arbeit in Herrschen sich auflöst etc) wie irgend eines andren Naturwesens. Aber solche Ansicht ist abge-schmackt, – so sehr richtig vom Standpunkt gegebner Stamm- oder Gemeinwesen – da sie von der Entwick-lung vereinzelter Menschen ausgeht. Der Mensch vereinzelt sich erst durch den historischen Process. Er erscheint ursprünglich als ein Gattungswesen, Stammwesen, Heerdenthier – wenn auch keineswegs als ein ζω̃ον πολιτιϰόν im politischen Sinn. 

Der Austausch selbst ist ein Hauptmittel / dieser Vereinzelung. Er macht das Heerdenwesen überflüssig und löst es auf. Sobald die Sache sich so gedreht, daß er als Vereinzelter nur mehr sich auf sich bezieht, die Mittel aber, um sich als Vereinzelter zu setzen, sein sich Allgemein- und Gemeinmachen geworden sind. In diesem Gemeinwesen ist das objektive Dasein des Einzelnen als Eigenthümer, sage z. B. Grundeigenthümer voraus-gesezt und zwar unter gewissen Bedingungen, die ihn an das Gemeinwesen ketten, oder vielmehr einen Ring in seiner Kette machen. In der bürgerlichen Gesellschaft steht der Arbeiter z. B. rein objektivlos, subjektiv da; aber die Sache, die ihm gegenübersteht, ist das wahre Gemeinwesen nun geworden, das er zu verspeisen sucht, und von dem er verspeist wird. 
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Grundrisse, MEGA II/1.1  S. 399f. [MEW 42, S. 403f.]



Nota.  Im naturwüchsigen Gemeinwesen ist der Mensch von vornherein 'vergemeinschaftet', noch bevor er Individuum geworden ist. Zivilisatorische Fortschritte geschehen als Vereinzelung des Individuums, das im selben Maße nun sich selbst vergesellschaften muss; durch Austausch. Erst jetzt entsteht Gesellschaft im spezifi-schen Sinn. Und erst seither kann sie als Verein der Freien und Gleichen vorgestellt werden.
JE


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